Zeitzeugenarchiv der Minsker Geschichtswerkstatt

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Bauer Lothar

Bauer Lothar

Gruppe 
Rassistisch Verfolgte (Jude/Jüdin)
Herkunftsland 
Deutschland
Geburtsort 
unbekannt
Beruf 
Transitmakler
Deportationsdatum 
1941 November 8
Unterbringung/Inhaftierung 
KZ Fuhlsbüttel, Minsker Ghetto
Schicksal 
Todesdatum und -umstände unbekannt
Berichtsart 
Familiengeschichte

Lothar Bauer, geb. 28.4.1899, 1941 KZ Fuhlsbüttel, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Der verheiratete tschechoslowakische Staatsbürger Lothar Bauer lebte seit 1921 in Hamburg. Er arbeitete als Transitmakler, d.h. er vermittelte tschechische Exportware an deutsche Exporteure. Seine Geschäfte gingen offensichtlich bis in die zweite Hälfte der dreißiger Jahre hinein gut. Er war von der Neustadt in den Mittelweg gezogen, wohnte mit seiner Ehefrau Gerda zeitweise in der Klosterallee, der Haynstraße und der Isestraße.

Doch als ausländischer Jude, der im Im- und Exportgeschäft tätig war, stand er unter steter mißtrauischer Beobachtung der Gestapo und der Devisenstelle, die gezielt jüdische Bürger jagte und unter Druck setzte. 1938 erwies sich für ihn – so gab er der Devisenstelle an – als schlechtes Geschäftsjahr, weil die Spannungen zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei einen längeren Aufenthalt dort erzwangen, während dessen sein deutscher Stellvertreter ihn betrog.

Bauer glich die Verluste mit einem Darlehen aus, das er bei Walter Bucky aufnahm, dem jüdischen Besitzer eines Eimsbüttler Kaufhauses. Lothar Bauer mußte den Zwangsnamen "Israel" nicht annehmen, weil er kein "staatsangehöriger deutscher Jude" war. Auf Befragen antwortete er den Beamten der Devisenstelle, er habe bisher keine Auswanderungsvorbereitungen getroffen, denn er hätte seine Geschäfte immer zur Zufriedenheit betreiben können.

Das änderte sich, 1939 und 1941 wurde er kurzzeitig verhaftet. Eine Konkurrenzfirma hatte ihn der "Handelsspionage" bezichtigt, und die Devisenstelle vermutete, er habe Devisen unterschlagen. Doch wie sich ergab, entbehrten beide Anschuldigungen jeder Grundlage. Lothar Bauer wurde wieder freigelassen, mußte jedoch – so verfügte der Oberfinanzpräsident mit Schreiben vom 19. Oktober 1940 - die Firma bis 30. November 1940 abwickeln und im Handelsregister löschen lassen. Auch erhielt er die Auflage, nicht für andere Firmen in dieser Branche tätig zu werden.

Seine Ehefrau Gerda emigrierte am 22. Februar 1941 nach Shanghai. Lothar Bauer zog in die Schlüterstraße 22 als Untermieter des Ehepaares Wolff. Er nahm die Dienste der Firma Scharlach & Co. in Anspruch, die Auswanderer betreute. Vielleicht versuchte er vergeblich, Deutschland noch zu verlassen, vielleicht stand aber auch nur eine Rechnung für die emigrierte Ehefrau offen, als er den Deportationsbefehl erhielt.

Nachdem Lothar Bauer seine Unterkunft verlassen hatte, versteigerte die Firma Heinrich Schopmann, Große Bleichen, im Auftrage der Oberfinanzdirektion seinen Hausrat. Gewissenhaft notierte der Auktionator den Reinerlös: RM 163,56. Die Dienststelle des Oberfinanzpräsidenten zog diese Summe wie das restliche Vermögen ein und befriedigte daraus u.a. die Forderung der Fa. Scharlach & Co. und die des Fernsprechamtes von RM 108,60 an Lothar Bauer, denn die Post monierte, er und andere "jüdische Fernsprechteilnehmer, [hätten] infolge ihrer Evakuierung nach Polen ihre letzten Fernsprechgebühren nicht bezahlt".

Zu diesem Zeitpunkt befand sich Lothar Bauer auf der Fahrt gen Osten. Sein Transport gelangte am 11. November in Minsk an, wo an den Tagen zuvor 12.000 einheimische Juden erschossen worden waren, um "Platz zu schaffen". Die Neuankömmlinge aus dem Deutschen Reich arbeiteten für die Wehrmacht, die SS oder die Organisation Todt in Werkstätten, Lazaretts oder Außenkommandos.

Ob Lothar Bauer an Hunger, Kälte, Infektionskrankheiten starb oder in einem der Massaker am 8. Mai 1943 oder bei der Auflösung des Ghettos am 14. September 1943 erschossen bzw. im Gaswagen erstickt worden, ist unbekannt.

© Beate Meyer

Diese Biographie entstand im Rahmen des Projektes „Stolpersteine in Hamburg – biographische Spurensuche“ unter Leitung von Dr. Rita Bake (Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg) und Dr. Beate Meyer (Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg).