Zeitzeugenarchiv der Minsker Geschichtswerkstatt

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Riesenburg Hilde

Riesenburg Hilde

Gruppe 
Rassistisch Verfolgte (Jude/Jüdin)
Herkunftsland 
Deutschland
Geburtsort 
Bartin/ Pommern
Beruf 
Sekretärin
Deportationsdatum 
1941 November 14
Unterbringung/Inhaftierung 
unbekannt
Schicksal 
Todesumstände unbekannt
Berichtsart 
Familiengeschichte

Hilde Riesenburg, geb. Rosen

* 16. Oktober 1902 in Bartin/Pommern

Hans Risenburg

* 9. Januar 1906 in Meseritz/Posen

Lieselotte Riesenburg

* 29. April 1933 in Bartin/Pommern

Kantstraße 27, Berlin-Charlottenburg

 

Hilde Rosen und ihre beiden Schwestern wurden in Bartin, Pommern geboren, wo ihre Eltern, Gustav und Hedwig Rosen, ein Geschäft betrieben.

Als 1917 die jüngste Tochter Anneliese zur Welt kam, lebten die beiden älteren Schwestern Hilde (* 1902) und Margot (* 1906) bereits in einem Pensionat in Stolp, wo sie das Staatliche Lessing-Gymnasium besuchten.

Später zogen Hilde und Margot Rosen nach Berlin. Dort fanden sie nach einem Sekretariatskurs bald eine Anstellung. Ob sich Hilde Rosen und der in Meseritz geborene Hans Riesenburg in Berlin kennenlernten, ist nicht überliefert. Hans Riesenburg hatte nach seiner Schulzeit eine kaufmännische Lehre in der Nähe seines Geburtsortes absolviert. 1932 heirateten die beiden im Haus von Hilde Rosens Eltern in Bartin. Am 29. April 1933 kam ihre Tochter Lieselotte, genannt Lilo, in Bartin zur Welt. In den Erinnerungen, die Hilde Riesenburgs jüngste Schwester Anneliese Rosen Jahrzehnte später auf Englisch verfasste, schrieb diese: »Die Hochzeit wurde in unserem Haus nach jüdischen Regeln vollzogen. Ein Rabbi leitete die Zeremonie. Es war ein ziemlich großes Ereignis und ich glaube Vater war sehr erleichtert, dass eine Tochter nun verheiratet war. Er half Hans einen Laden nicht weit von uns zu eröffnen, wo Kleidung, Textilien etc. verkauft wurden.« (Memorien von Annelise Rosen (Steckelmacher) 1917-2006, S. 4.

Das von Hans in der Nähe von Bartin eröffnete Textilgeschäft lief nicht wie erwartet. Ob dies auf Boykotte und Repressionen zurückzuführen ist, mit denen die Nationalsozialisten nach der Machtübernahme 1933 gegen die jüdische Gewerbetreibende vorgingen, ist nicht bekannt. Hans verkaufte das Geschäft, und die junge Familie zog nach Berlin. In der Reichshauptstadt eröffnete Hans Riesenburg ein Zigarrengeschäft.

Dem Laden von Gustav und Hedwig Rosen in Bartin blieben zunehmend Kundinnen und Kunden fern, die finanzielle Lage verschlechterte sich. Anneliese Rosen schrieb später: »Meine Schwester Margot drängte meinen Vater, das Haus zu verkaufen und nach Berlin zu ziehen. Ihr war klar, was die Nazi-Propaganda anrichten konnte, Ende 1933 entschloss sie sich, nach England zu emigrieren. Zu diesem Zeitpunkt wollte Vater nicht verkaufen. Er liebte das Dorf, in dem er geboren war und seine Familie seit Generationen lebte […] aber es wurde zunehmend schwieriger den Lebensunterhalt zu verdienen. Vater hatte auch Drohanrufe bekommen. […] Mögliche Käufer wussten, dass Juden unter großem Druck standen zu verkaufen, der Makler ermunterte sie, den Preis weiter zu drücken, bis mein Vater nachgab. Ende des Jahres 1935 verkaufte er zum niedrigsten Preis, und wir zogen nach Berlin, wo meine ältere Schwester Hilde lebte. Das war für uns alle eine große Veränderung, aber wir hofften, dass Juden in der Großstadt relativ sicher wären. Mein Schwager [Hans Riesenburg] hatte zu diesem Zeitpunkt einige Monate in einem Internierungslager [Konzentrationslager] verbracht. Er wurde sehr krank und wurde nach Hause geschickt, aber er konnte nicht mehr arbeiten, was große Schwierigkeiten für die Familie mit sich brachte. Meine Eltern halfen, obwohl sie selbst kaum etwas hatten.« (Ebenda, S. 6 f.)

Seit Beginn ihrer Ausbildung zur Krankenschwester wohnte Hilde Riesenburgs Schwester Anneliese Rosen im Schwesternwohnheim des Jüdischen Krankenhauses Berlin. Dies war eine der letzten Ausbildungsmöglichkeiten, die die Nationalsozialisten jüdischen Frauen noch nicht verboten hatten. Nach Abschluss ihrer Ausbildung und Erhalt des ersehnten Visums, emigrierte Anneliese Rosen nach England. Sie schrieb: »Am 10. Februar 1939 kam der Tag meiner Abreise. Meine Eltern, meine Schwester, ihr Mann und ihr kleine Tochter verabschiedeten mich am Bahnhof Zoo, im Zentrum von Berlin. Ich versuchte, meine Gefühle zu verbergen, um den Abschied nicht zusätzlich zu erschweren, aber sobald sich der Zug in Bewegung setzte und ich meine Familie nicht mehr sah, setzte ich mich und weinte. Ich sah keinen von ihnen wieder.« (Ebenda, S. 8)

Mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 radikalisierten die Nationalsozialisten auch die Verfolgung der von ihnen als jüdisch definierten Menschen. Ab September 1941 mussten diese sie sich mit einem gelben Stern an der Kleidung kennzeichnen; eine Flucht in die Anonymität der Großstadt Berlin wurde nahezu unmöglich. Viele Firmen beschäftigten jüdische Zwangsarbeiterinnen und –arbeiter. Hans Riesenburg musste bei der Firma Philips GmbH Berlin arbeiten.

Hans Riesenburgs Mutter Helene Riesenburg, die mit ihrem Sohn und seiner Familie in Berlin-Charlottenburg lebte, war an Krebs erkrankt und musste operiert werden. Sie starb im Mai 1941. Vermutlich nahm sie sich aus Angst vor der Zukunft mit den Medikamenten, die ihr nach der Operation verordnet worden waren, das Leben.

Am 14. November 1941 wurden Hilde und Hans Riesenburg mit ihrer achtjährigen Tochter Lieselotte nach Minsk deportiert. Die Umstände ihres Todes sind nicht überliefert.

Hilde Riesenburgs Eltern, Hedwig und Gustav Rosen, wurden am 4. August 1942 von Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort starb Gustav Rosen am 19. Oktober 1943, seine Ehefrau Hedwig Rosen wurde am 23. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.

Anneliese Rosens Sohn Martin Steckelmacher stellte die persönlichen Aufzeichnungen seiner Mutter zur Verfügung, die sie vor ihrem Tod 2006 in England verfasst hatte. Margot Rosens Sohn Anthony Hamburger und Hans Riesenburgs Neffe Gordon Reece unterstützten diese Recherche mit den hier gezeigten Fotos von Hans, Hilde und Lieselotte Riesenburg sowie weiteren persönlichen Dokumenten.

Erstellt von Martina Berner