Das Vorkriegsleben
Vor dem Kriegsausbruch wohnte Nadežda Konstantinovna mit ihren Verwandten in Bobrujsk. Sie war Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft.
Das Leben während der Besatzung
Nadežda Konstantinovna gelang es Bobrujsk zu verlassen, bevor die Stadt von deutschen Truppe besetzt wurde. Sie floh mit ihrer Familie in die Ortschaft Mošny, Landkreis Oktjabrskij, Gebiet Gomel. Dort erlebte sie aber zusammen mit ihren Dorfnachbaren ein großes Unglück: die Ortschaft wurde von der Polizei im Mai 1942 niedergebrannt. Der Grund dafür war aktiver Widerstandskampf von Partisanen in diesem Landkreis. Nadežda Andreeva war gezwungen nach einem neuen Obdach für die ganze Familie zu suchen. Sie zogen ins Dorf Kovčizy-2 im Polesjegebiet um. In diesem Dorf wohnte sie knapp zwei Jahre und im März 1944 erlebte sie dort den schwersten Schicksalsschlag in ihrem Leben.
"Etwa Anfang März, - so Nadežda Konstantinovna, - wurde unser Dorf von einem deutschen Strafkommando umzingelt“. Man befahl den Dorfbewohnern ihre Häuser „nur für einige Minuten“ zu verlassen. Danach wurden die Leute in drei Gruppen aufgeteilt: zur ersten Gruppe gehörten arbeitsfähige Männer, zur zweiten – Frauen, Greise und Kinder, zur dritten – Kranke. Zwei erste Gruppen, insgesamt 2.700 Menschen, wurden mit den LKWs in einer unbestimmten Richtung weggebracht. Grade vor dieser Aktion war Nadežda Andreeva an Typhus krank und geriet in die dritte Gruppe, die nicht weggeschleppt wurde.
Die Lager bei Ozariči
Nadežda Konstantinovna hatte in ihrem Dorf nicht lange zu warten, den deutsche Soldaten kamen drei Tage danach ins Dorf. Diesmal sollte sie kranke Dorfbewohner transportieren. Ganz schnell ließ man alle Kranke in die LKWs einsteigen. Die Leute, die weigerten oder körperlich schwach waren, wurden verprügelt. Später wurde es bekannt, dass sie ins Lager gerieten, das ein Kilometer weit vom Dorf Mikul-Gorodok im Landkreis Oktjabrskij, Gebiet Gomel lag. Das Lager befand sich am Waldrand, war mit Stacheldraht umzäunt. An den Ecken standen Wachtürme. Im Lager gab es keine Bauten, so dass Häftlinge sich Tag und Nacht unter freiem Märzhimmel befanden mussten. Nach der Ankunft wurden den Menschen alle Wertsachen weggenommen und zwar mit der Begründung, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Nadežda Andreeva schätzt die Anzahl der Häftlinge auf ungefähr 5.000 Mann, die auf einer Fläche von 500 m2 zusammengepresst waren.
Jeden Tag starben etwa fünfzig Mann im Lager. Manche von ihnen wurden rechtzeitig nicht begraben und sollten draußen auf dem nackten Boden verfaulen. Die Verpflegung war äußerst spärlich. Das Wasser zum Trinken sollte man aus den Gräben und Rinnen holen. Es war strengst verboten Feuer anzulegen, denn die Erschießung folgte sofort. Vier Tage nach der Ankunft im Lager wurde den Häftlingen bekanntgegeben, dass sie das Lager verlassen. Nadežda Konstantinovna erzählte von Grausamkeiten, die Zurückbleibende beim Abtransport erlebten. Einmal kam sie einer Frau zu Hilfe, die eine Kugelwunde am Arm und Prügelspuren am ganzen Körper hatte. Sie blieb also in der Kolonne, nicht zurück, und rettet dadurch ihr Leben.
Gegen Abend kamen die Häftlinge in ein noch größeres Lager zwei Kilometer weit von Dorf Semenoviči entfernt. Dort befanden sich über 7.000 Menschen. Die Haftbedingungen waren etwa mit denen aus dem ersten Lager zu vergleichen: der freie Himmel über dem Kopf, äußerst spärliches Essen, Mehrsterblichkeit (etwa 70 Mann täglich), kein sauberes Trinkwasser (man sollte sich mit dem dreckigen Schnee begnügen). Dazu kamen noch allerlei Misshandlungen seitens der Lagerführung und des Wachpersonals.
Das war ein großes Glück, dass die Wache das Lager verließ. Das erfolgte in der dritten Nacht der Aufenthalt von Nadežda Konstantinovna dort. Einige Unglückliche, die es versuchten aus dem Lager zu fliehen, gerieten auf die Minenfelder und kamen um. Wir wussten nicht, dass das Gelände ums Lager von den Deutschen vermint wurde. Am nächsten Tag, wo die Deutschen weg waren, kam die Rote Armee und rettete die Häftlinge.
Erstellt von Valentin Dragin