Das Leben vor dem Krieg
Tatjana Duktovskaja wurde am 15. Februar 1923 in eine belarussische Familie im Dorf Osinovka im Gebiet Krasnojarsk in Russland geboren. Ihr Vater hieß Ignat Andrejevič, der Name der Mutter war Sokletina Lavrent'evna. Die Familie war mit elf Kindern groß, beide Eltern waren orthodox. Unter den Familienangehörigen wurde nur belarussisch gesprochen. «Die Eltern gehörten zu den Bauern und hatten eine recht umfangreiche Landwirtschaft. Meine Mutter starb, als ich zehn Jahre alt war. Sie war eine gutherzige Frau, sie war immer mit Spinnen, Stricken, Häkeln und Weben beschäftigt […]», so die Erinnerungen von Tatjana Duktovskaja (Projekt: Dokumentation der Lebensgeschichten „Gerechte unter den Völkern“, interviewt am 28.12.2014 von Andrej Mastyko). 1926 kehrte die Familie nach Belarus zurück, genauer ins Dorf Domanoviči im Landkreis Kričev, wo Tatjana die Mittelschule besuchte.
Die Rettung eines jüdischen Mädchens
Im Mai 1941 zog die 18-jährige Tatjana Duktovskaja zu ihrem Bruder in die Stadt Rogačev ins Gebiet Gomel'. Sie hatte vor, zum Studium nach Moskau zu fahren, doch ihre Pläne scheiterten am Kriegsausbruch.
Im Oktober 1941 wandte sich ein Dorflehrer an Tatjana. Sie kannte ihn nicht persönlich. Es handelte sich um Vladimir Možejko, der ebenfalls aus einer belarussischen Familie stammte. Er bat Tatjana, seine fünfjährige Tochter Ludmila zu verstecken. Seine Frau Riva war als Jüdin kurz zuvor von der Gestapo verhaftet und erschossen worden. Da Tatjana in der Stadt fast unbekannt war, willigte sie ein, das Mädchen aufzunehmen und zu pflegen. Kurz danach erfuhr die örtliche Polizei, dass Tatjana ein jüdisches Mädchen verberge. Da damit die Gefahr drohte, in Rogačev verhaftet zu werden, zogen beide in ein 30 km entferntes Dorf um. Einige Zeit konnten sie in der Familie von Ivan Drobyševskij wohnen, der sie versteckte und ernährte. Er gab sein Möglichstes, um zu vermeiden, dass die örtliche Behörde von seinen Mitbewohnerinnen erfahre. Doch bald, so Tatjana Duktovskaja, «wurden bei der Polizei angezeigt, dass Ivan Drobyševskij eine Jüdin mit Kind in seinem Haushalt verstecke» (Ebd.). Es war zu riskant, weiter im Dorf zu bleiben. Weiter zogen sie mit Vladimir Možejko, Ludmilas Vater, der beide inzwischen gefunden hatte. Zu dritt wohnten sie in Dörfern der Landkreise Rogačev, Čečersk und Buda-Kosšelevo.
Die Befreiung und das Nachkriegsleben
Noch vor der Befreiung von Rogačev im März 1944 kehrten Tatjana, Vladimir und Ludmila in die Stadt zurück. Vladimir wurde zum Wehrdienst einberufen und musste an die Front. Ludmila blieb bei Tatjana, beide wohnten bis Kriegsende zusammen. Nach dem Krieg heirateten Tatjana und Vladimir. Sie arbeitete als Buchhalterin in einem Kindergarten. 1997 wurde ihr der Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ verliehen.
Erstellt von den Mitarbeitern der Geschichtswerkstatt Minsk