"Erinnere dich derer, die von Legenden umwoben sind". Larissa Korenewskaja, Verbindungsfrau zu den Partisanen
Eduard Chwoinizki, Teilnehmer der Arbeitsgemeinschaft „Mein Heimatland“
Wissenschaftliche Betreuerin: Ljubow Malasch, Freizeitpädagogin, Kinder- und Jugendhaus Orion, Minsk
Einleitung
Von den Ereignissen des Großen Vaterländischen Krieges erfahren meine Gleichaltrigen und ich aus Filmen und Büchern sowie während der Klassenausflüge zu Gedenkorten, von denen es auf belarussischem Boden rund 9.000 gibt: Denkmäler, Obelisken, Gedenkstätten … Dazu gehört auch die Gedenkstätte Trostenez, der Ort, an dem der Opfer des Todeslagers Trostenez (Anm.: Ein wissenschaftlich nicht definierter Begriff für die gesamte Vernichtungsstätte Malyj Trostenez) gedacht wird. Das Lager im Dorf Malyj Trostenez war das größte nicht nur in Belarus, sondern auch auf dem ganzen von den Faschisten besetzten Gebiet der Sowjetunion.
Im Protokoll der Kommission des Gebiets Minsk zur Unterstützung der Außerordentlichen Staatlichen Kommission (Anm.: Eine Kommission für die „Untersuchung und Bestrafung der Verbrechen der deutsch-faschistischen Aggressoren“ in der Sowjetunion 1942–1945) über die Massenvernichtung der zivilen Bevölkerung und Kriegsgefangenen in Minsk und der Umgebung in den Jahren 1941–1944 vom 13. August 1944 steht, dass allein an zwei Tagen, am 29. und 30. Juni 1944, d. h. wenige Tage vor der Befreiung von Minsk durch die Rote Armee, 6.500 Menschen in der ehemaligen Kolchosscheune auf dem Gebiet des Lagers erschossen und dann verbrannt worden seien [8, S. 119]. Kann ich meinen Gleichaltrigen wenigstens über einen von diesen 6.500 berichten?..
Ich kann es, wenn ich selbst Genaueres erfahre.
Im Schulmuseum der Mittelschule in Trostenez bin ich auf das Bild einer jungen Frau an der Fotowand „In Trostenez umgekommen“ aufmerksam geworden. Bei der Führung erfuhr ich, dass sie Larissa Korenewskaja hieß und eine Verbindungsfrau zu den Partisanen (Anm.: Mit „Partisanen“ werden, wenn nicht anders hingewiesen, sowjetische Partisanen gemeint) war. Kurze Angaben zu Larissa Korenewskaja fand ich in der Chronik „Pamjat“: „Korenewskaja, Larissa, geboren 1925, 1942 im Todeslager Trostenez wegen Verbindungen zu den Partisanen verbrannt“ [6, S. 448]. Aber ich wollte mehr wissen. Auf Empfehlung der Leiterin der Arbeitsgemeinschaft „Mein Heimatland“ Ljubow Malasch recherchierte ich die Dokumente aus dem Archiv des Schulmuseums in Trostenez, v. a. die aufgezeichneten Erinnerungen von Marija Barsuk, Marija Bernjak und die Briefe von Nadeschda Korenewskaja, der Mutter von Larissa.
Viele Informationen über das Engagement von Larissa Korenewskaja für die Partisanen konnte ich Pjotr Iwanenkos Buch „In meiner Heimatgegend“ [4] entnehmen, obwohl seine Erinnerungen hauptsächlich von der Entstehung und dem Kampfweg der Partisaneneinheit „Zeitung Prawda“ handeln. Dann unternahm ich meine Reise in Larissas Heimatdorf Klimowitschi und besonders beeindruckt war ich dabei vom Treffen mit ihrer Nichte Larissa Kosatschjok, die mich mit ihren eigenen Erinnerungen und mit den Erzählungen bekannt machte, die sie einst von Nadeschda Korenewskaja, Larissas Mutter, und Larissas Bruders Wladimir gehört hatte, und mir auch Bilder aus dem Archiv der Familie Kosatschjok zeigte.
Vorkriegsleben
Larissa Korenewskaja wurde am 5. Mai 1925 im Dorf Klimowitschi, Landgemeinde Nowodworski, Kreis Minsk geboren. Die Familie bestand aus den Eltern und zwei Kindern. Der Vater Wladimir Korenewski, 1902 im Dorf Gatowo, Kreis Minsk geboren, heiratete die gleichaltrige Nadeschda Gerassimowitsch, die Tochter eines Stationsvorstehers aus Minsk. Vor der Oktoberrevolution absolvierte Nadeschda das Gymnasium.
Nach Erinnerungen von Larissa Kosatschjok kamen die Eheleute Korenewski als so genannte 25-Tausendler, engagierte Industriemitarbeiter im Auftrag der kommunistischen Partei, ins Dorf Klimowitschi, um dort den Aufbau einer Kolchose zu unterstützen [5, Min. 6:28–6:34]. Nadeschda Korenewskaja erzählte ihren Enkelkindern: „Hat man eine Kolchose mitaufgebaut, dann wurde man in eine andere versetzt“ [5, Min. 9:57–10:00].
In Klimowitschi kamen ihre Kinder zur Welt: 1925 die Tochter Larissa, 1927 der Sohn Wladimir. Nadeschda leitete eine Viehwirtschaft, ihr Mann war Kolchosvorsitzender.
Die Familie hatte in Klimowitschi ein schlichtes Haus mit einem großen Wohn- und einem Schlafzimmer. Das Haus wurde mit einem Ofen geheizt. Es war ein gewöhnliches Haus, so Larissa Kosatschjok, nicht schlechter, aber auch nicht besser als bei den anderen. Einige Möbel, die der Familie Korenewski gehörten, sind bis heute erhalten geblieben wie ein großer Eichentisch und ein schönes Rotholztischlein. Ich glaube, für die damaligen Verhältnisse war das Luxus, und vermute deswegen, dass die Familie im Wohlstand lebte.
Wie auf dem Lande üblich hielte die Familie eine Kuh, Schweine und Hühner. Die Erwachsenen arbeiteten im Feld und pflegten den Garten. Larissa und ihr Bruder Wladimir halfen den Eltern. In ihrer Freizeit, aber auch bei Bedarf strickte Larissa oder stickte mit Plattstichen. Im Sommerhaus ihrer Nichte werden auch heute noch eine von ihr gestickte Tischdecke und durchbrochene Strickereien aufbewahrt.
Die Familie war einträchtig und schaute mit Zuversicht in die Zukunft. Aber dann geschah ein Unheil. 1937 wurde Wladimir Korenewski verhaftet. Der Grund war, soweit sich Larissa Kosatschjok erinnern kann, dass er bei den Wahlen wagte, seinen Unmut darüber zu äußern, dass nur ein einziger Kandidat zur Wahl stand. Auch weitere Verwandte wurden verhaftet, nämlich der Vater von Wladimir und seine beiden Brüder, die in der Regierung arbeiteten. Innerhalb von drei Tagen wurden alle vier erschossen [5, Min. 10:04–10:36].
Die Familie blieb ohne Ernährer. Ihr Leben war sehr schwer. Aber Nadeschda Korenewskaja wurde nicht auf die Sowjetmacht wütend und war nicht nachtragend, sie erzog ihre Kinder zur Loyalität gegenüber ihrem Land, zur Ehrlichkeit und Zielstrebigkeit. Larissa war ein kluges und gutmütiges Mädchen. Vor dem Krieg absolvierte sie die Siebenklassenschule, die sich, wie Larissa Kosatschjok glaubt, im Dorf Nowy Dwor, Kreis Minsk befand [5, Min. 9:22–9:25]. Noch in der Schulzeit eignete sich das Mädchen selbständig die deutsche Sprache an. Wozu? Wie sich herausstellte, wollte Larissa Übersetzerin werden und ihrem Volk nützlich sein. Und vielleicht ahnte die Komsomolzin (Anm.: Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes (Komsomol) in der Sowjetunion) schon, dass sie die Sprache des möglichen Feindes erlernte?
Jahre der Kriegserprobung
Womit begann denn Larissas Teilnahme am Kampf? Eine wichtige Rolle spielte dabei Pjotr Iwanenko; vor dem Krieg war er Vorsitzender des Dorfsowjets Klinok im Kreis Tscherwen und wurde am 6. Juli 1941 im Auftrag des Parteikomitees des Gebiets Minsk „für die Organisation der Partisanenbewegung ins feindliche Hinterland geschickt“ [4, S. 11]. Die Verbindungsfrau Marija Bernjak erinnert sich: „In seinem [Iwanenkos] Auftrag kam Jelena Meleschkewitsch in ihr Heimatdorf Paschkowitschi und nahm Kontakt zu mir, Larissa Korenewskaja und anderen Mädchen auf“ [2, S. 1]. Die Komsomolzinnen, unter ihnen auch Larissa, trafen sich mit Pjotr Iwanenko im Waldstück Buslowka und „bekamen eine konkrete Anweisung zum Handeln im feindlichen Hinterland: strikte Geheimhaltung wahren, Waffen und Munition aufsammeln, Patrioten auf den Beitritt zu der zu gründenden Einheit vorbereiten, Vaterlandsverräter feststellen, die Pläne der Hitlerfaschisten auskundschaften, von Hand geschriebene Flugblätter verteilen, nach Möglichkeit Medikamente und Verbandmaterial sammeln“ [2, S. 2]. Larissa selbst, die ja Deutsch beherrschte, bewarb sich im Auftrag des Partisanenführers als Dolmetscherin bei der Kommandantur.
Der „Verwegene“ (so Iwanenkos Deckname) führte einzelne Partisanengruppen zu einer Einheit zusammen, die nach der Zeitung „Prawda“ benannt wurde und im Herbst 1942 rund 80 Kämpfer zählte [2, S. 2]. Die Einheit bekam immer mehr Zulauf. Die Menschen wurden durch erfolgreiche Einsätze der Partisanen angezogen, aber auch die unermüdliche Überzeugungsarbeit der Verbindungsfrauen tat das Ihrige. Pjotr Iwanenko schrieb in seinen Erinnerungen: „Unsere Verbindungsfrauen Marija Bernjak, Marija Barsuk und Aleksandra Bochonowitsch, Nadeschda Korenewskaja und ihre Tochter Larissa brachten in den Chosjaninski-Wald zwölf Männer mit Waffen, zum Kampf gegen die Besatzer bereit“ [4, S. 194]. Bald schloss sich auch Larissas Bruder Wladimir der Partisaneneinheit an. In der Archivauskunft des Instituts für die Geschichte der Partei beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei von Belarus, die Larissa Kosatschjok aufbewahrt, heißt es: „Wladimir Korenewski, geboren 1927, war … vom 1. Dezember 1942 bis zum 3. Juli 1944 als Verbindungsmann zur Partisaneneinheit im Einsatz“. Dazu ist zu sagen, dass die Familie zwar keine amtlichen Nachweise über die Teilnahme Larissa Korenewskajas am Partisanenkampf hat, jedoch teilte Larissa Kosatschjok mit, dass Nadeschda nach dem Tod ihrer Tochter eine Zulage zur Rente bezogen hatte [5, Min. 30:23–30:40]. Daraus kann man schließen, dass Larissa Korenewskaja offiziell als Teilnehmerin der Partisanenbewegung anerkannt wurde.
Ein sehr wichtiges Anliegen war, Sympathisanten aus der Lagerbewachung für die Partisanen zu gewinnen. Larissa und Marija Barsuk „gingen zu Kriegsgefangenenlagern und taten so, als suchten sie nach ihren Ehemännern, und knüpften dabei Bekanntschaften. So lernten sie auch den Belgier Marcel Sanders, einen Bewacher des Lagers in Masjukowschtschina, kennen“ [4, S. 221]. Ungewöhnlich ist die Geschichte dieses Menschen. Als die Nazis Brüssel besetzten, ermordeten sie die Familie von Sanders, Marcel selbst landete in einem Konzentrationslager. Nach einer Weile wurde er als Bewacher eingesetzt und musste vielerorts dienen, bevor er endlich nach Masjukowschtschina in Minsk kam. Marcel musste oft die Gefangenen zu Zwangsarbeiten in Garnisonen in der Umgebung oder zu Fabriken begleiten. So konnte den Partisanen helfen und seine Angehörigen rächen. Dank Marcel Sanders wurde etwa Sarkis Daschanjan, Doktor der Medizin, aus der Gefangenschaft gerettet. Später operierte der Arzt „nicht nur die Kämpfer, sondern auch kranke Einheimische. … Er tat Wunder“ [4, S. 223].
Als sich eine Gefahr für Marcel abzeichnete, schloss er sich der Partisaneneinheit an. Pjotr Iwanenko bescheinigte ihm: „Ein echter Soldat war auch der Belgier Marcel Sanders, der einige Sprachen beherrschte. Er beteiligte sich an vielen Einsätzen und schrieb Flugblätter an die Deutschen“ [4, S. 223].
Ich bin stolz, dass dank meiner Landsmännin Larissa Korenewskaja solche wunderbare Menschen wie Marcel Sanders und Sarkis Daschanjan den Weg zu den Partisanen finden konnten.
Neben den Kriegsgefangenen schleusten die Verbindungsfrauen auch die Angehörigen von Partisanen, Untergrundkämpfer und Zivilisten, die in Gefahr schwebten, in die Partisaneneinheit. Pjotr Iwanenko beschrieb beispielsweise, wie Larissa Korenewskaja und ihre Freundin Jelena Meleschkewitsch die Familie des früheren Kolchosvorsitzenden Konstantin Tykozki, der später einen Zug und dann sogar eine Kompanie führte, zur Einheit zu bringen halfen [4, S. 215–216]. So rettete Larissa Menschen, die von den Nazis verfolgt wurden.
Die Verbindungsfrauen zogen durch Dörfer, erzählten die Wahrheit über den Kriegsverlauf, verteilten Flugblätter und Zeitungen. „Durch besonderen Mut und Kühnheit zeichnete sich Larissa Korenewskaja aus. Sie verteilte die von den Partisanen angefertigten Flugblätter und die Zeitung „Tscherwenski Partisan“ in der Stadt Minsk und den nahe liegenden Dörfern“ [2, S. 3]. Damit konnte man neue Menschen anziehen, die sich stets der Einheit „Zeitung Prawda“ anschlossen. Ende 1943 war die Einheit schon rund 400 Mann stark. Am 20. Oktober 1943 wurde sie in die Partisanenbrigade „Zeitung Prawda“ umgewandelt.
Die Partisanen konnten auch zahlreiche erfolgreiche Sabotageakte an der Eisenbahn für sich verzeichnen. Die Verbindungsleute, unter ihnen auch Larissa Korenewskaja, führten die Sprengtrupps unauffällig an die Schienen und nahmen selbst an Sabotageakten teil. So war Larissa Korenewskaja „an der Sprengung von 10 feindlichen Transporten beteiligt“ [4, Bildunterschrift].
Es war Krieg, brutal und blutig. Aber hörten die Menschen etwa auf, zu leben, sich zu freuen, Freundschaft zu schließen, sich zu verlieben?! Larissa Kosatschjok erzählte, dass Larissa einen Freier hatte, sie lernten sich in der Partisaneneinheit kennen. Nach dem Krieg kam der junge Mann zu Nadeschda Korenewskaja und sagte ihr: „Ich habe Ihre Tochter so sehr geliebt und wollte sie unbedingt heiraten. Aber das war uns nicht beschieden …“ [5, Min. 16:38–16:42].
Bei Kämpfen und Aufträgen kamen viele Partisanen und Untergrundkämpfer, die Larissa Korenewskaja kannte, ums Leben oder wurden von den Feinden gefasst. So wurde die tapfere Verbindungsfrau Marija Bernjak 1943 verhaftet und nach Foltern zusammen mit ihrer Mutter nach Auschwitz verschleppt (Marija kam erst nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee 1945 in die Heimat zurück; in den Nachkriegsjahren lebte sie im Dorf Satischje, nahe dem Minsker Stadtviertel Tschischowka, und besuchte oft Larissas Familie). Auch Larissa Korenewskaja blieb nicht verschont: „Im Jahr 1943 wurden Larissas Aktivitäten aufgedeckt, man verhaftete sie» [5, Min. 5:50–5:58].
Marija Bernjak erinnert sich: „Bei einem Kampfauftrag wurde Larissa Korenewskaja festgenommen und in ein Gestapo-Gefängnis eingeliefert. Mehr als drei Monate lang wurde die Patriotin von faschistischen Schergen misshandelt. Man verrenkte ihr die Arme, riss Haare auf dem Kopf und Zähne aus. Nichts konnte aber den Willen der Komsomolzin brechen. Sie hat nichts gestanden und keinen verraten. Mit ihrem Blut schrieb sie an die Wand: „Ich sterbe reinen Gewissens für unsere Mutter Heimat. Meine lieben Freundinnen, rächt meine Leiden am Feind“. Am 2. Juli 1944 wurde Larissa ins Todeslager Trostenez verschleppt und dort verbrannt. Die treue Tochter ihres Volks opferte heldenhaft ihr Leben“ [2, S. 4]. Im Buch des Partisanenführers Iwanenko heißt es ebenso: „Ermordet am 2. Juli 1944 in Todeslager Trostenez“ [4, Bildunterschrift]. Als ich aber den Friedhof im Dorf Klimowitschi besuchte, entdeckte ich auf dem Familienobelisken eine abweichende Angabe zu Larissas Todestag: 29. Juni 1944. In ihrem Interview teilte Larissa Kosatschjok mit, dass sich die überlebenden Partisanen der Einheit „Zeitung Prawda“ und die Verwandten der Gefallenen regelmäßig im Dorf Malyj Trostenez trafen, wo auf dem Massengrab das erste Holzdenkmal mit dem roten Stern errichtet war. Dieses Denkmal erinnerte an die Kolchosscheune, in der am 29. und 30. Juni 1944, wenige Tage vor der Befreiung von Minsk durch die Rote Armee, die letzten Opfer des Todeslagers Trostenez sowie die Gefangenen aus dem Gefängnis in der Wolodarski-Straße und dem Lager in der Schirokaja-Straße ermordet wurden. Daraus schließe ich, dass Larissa Korenewskaja am 29. Juni 1944 in der ehemaligen Kolchosscheune im Dorf Malyj Trostenez ums Leben gekommen und dort im Massengrab beigesetzt worden ist. Diese Ansicht teilt auch Larissa Kosatschjok [5, Min. 27:10–27:32].
Erinnerung
Die Erinnerung an Larissa Korenewskaja wird vor allem in den Familien ihrer Nichte Larissa Kosatschjok und ihres Neffen Igor Korenewski aufrechterhalten. „Tante Larissas Schicksal schmerzt unsere Familie“, sagte Larissa Kosatschjok in ihrem Beitrag und fügte mit Trauer hinzu: „Wenn Tante Larissa überlebt hätte, hätte sich alles vielleicht anders gestaltet …“ [5, Min. 23:00–23:08]. Zum familiären Gedenkort an Larissa wurde der Dorffriedhof in Klimowitschi, auf dem ihre Mutter Nadeschda einen Obelisken mit dem Foto der Tochter errichten ließ.
Die Bewohner des Dorfes Klimowitschi im Kreis Minsk erinnern sich auch an ihre Landsmännin, sprechen respektvoll von allen Angehörigen der Familie Korenewski. Die ehemaligen Kampfgenossen haben ebenso Larissa Korenewskajas gedacht. Larissa Kosatschjok erinnert sich, dass sich die überlebenden Partisanen der Einheit „Zeitung Prawda“, Untergrundkämpfer, Verbindungsleute sowie die Angehörigen der Gefallenen jährlich am 9. Mai (Anm.: Feiertag zur Erinnerung an den Sieg der Sowjetunion über Deutschland 1945 (Tag des Sieges)) am Denkmal über dem Massengrab im Dorf Malyj Trostenez versammelten, Blumen niederlegten und sich an die Kriegsjahre erinnerten, dann zum Denkmal für die Gefallenen ins Dorf Obtschak, Kreis Minsk, gingen [5, Min. 29:27–29:35]. Auf dem Denkmal stehen die Namen der Verbindungsfrau und Untergrundkämpferin Larissa Korenewskaja ihrer Freundin Jelena Meleschkewitsch und ihres Dorfnachbarn Lomanowski, von dessen Schicksal ich von einer Bewohnerin des Dorfes Klimowitschi erfahren habe [7, Min. 00:20–00:49]. Familie Korenewski, d. i. Nadeschda, Wladimir, seine Frau und Kinder, nahmen an diesen Treffen seit 1962 teil.
In der Mittelschule Trostenez besteht seit 1975 [6, S. 555] das Museum für das Todeslager Trostenez. An der Fotowand „In Trostenez umgekommen“ findet man unter anderen das Bild von Larissa Korenewskaja. Eine Pionierabteilung (Anm.: Pionierorganisation (Leninpioniere) war eine kommunistische Jugendorganisation für Jugendliche in der Sowjetunion), die zur Pioniergruppe „Ewgeni Klumow“ der Mittelschule Trostenez gehörte, trug den Namen von Larissa Korenewskaja. Davon erfuhr ich aus dem erhaltenen Dankbrief von Larissas Verwandten und Kampfgenossen an die Redaktion der belarussischen Jugendzeitung „Snamja junosti“.
Einige Informationen über Larissa Korenewskaja kann man der Chronik „Pamjat“ entnehmen, obwohl man nach meiner Recherche nun sicher behaupten kann, dass Larissas Todesjahr (1942) dort falsch angegeben ist.
Weiter oben habe ich dargestellt, auf welche Quellen ich in meiner Studie gestützt habe. Es ist sehr schade, dass die meisten Menschen, die Larissa persönlich gekannt und mit ihr zusammen gekämpft haben, verstorben sind, ohne Erinnerungen an sie zu hinterlassen. So steht in einem Brief an die Schüler von Trostenez: „Ich… erzähle euch alles über Larissa Korenewskaja. Ich bin in ihren letzten Tagen neben ihr gewesen. M. Blenik“ [3]. Leider konnte ich keine Hinweise auf ein späteres Treffen mit M. Blenik im Archiv des Schulmuseums entdecken. Von Larissas Schulzeit hätte wohl ihre Lehrerin Polina Trus Genaueres erzählen können, die in einem Briefe von Nadeschda Korenewskaja erwähnt wird.
Schlussbemerkungen
Marija Bernjak schreibt in ihren Erinnerungen: „Wir haben damals an den Fronten gekämpft, damit der Himmel über den Köpfen unserer Enkel und Urenkel hell ist und die Sonne scheint. Bleibt unserer Heimat verbunden und seid ihre treuen Söhne und Töchter“ [2, S. 8]. Ich glaube, das ist wohl auch der letzte Wunsch gewesen, mit dem die tapfere Patriotin Larissa Korenewskaja in den Tod gegangen ist.
Ich bin mir sicher, dass unsere Generation die Erinnerung an Larissa Korenewskaja und alle anderen Helden, die ihr Leben für ein glückliches und friedliches Leben geopfert haben, bewahren wird.
Quellenverzeichnis
Barsuk, Marija Stepanovna, Erinnerungen.
Bernjak Marija Grigor'evna, Erinnerungen.
Blenik, М. I. [Brief].
Ivanenko, P. I., V rodnych mestach. Vospominanija podpol'ščika i partizana. Minsk 1971.
Kozačёk, Larisa Vladimirovna, geb. 1956, Dorf Bolšoj Trostenec, Kreis Minsk, Gebiet Minsk [Interview am 26.10.2017].
Pamjac': Hist.-dakum. chronika Minskaha raёna. Minsk 1998.
Rindus, A. A., Dorf Klimoviči, Kreis Minsk, Gebiet Minsk [Interview am 14.10.2017].
Trostenec: tragedija narodov Evropy, pamjat' v Belarusi: dokumenty i materialy. Minsk 2016.