Zeitzeugenarchiv der Minsker Geschichtswerkstatt

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Hoffmann Oscar

Hoffmann Oscar

Gruppe 
Rassistisch Verfolgte (Jude/Jüdin)
Herkunftsland 
Deutschland
Geburtsort 
Köln
Beruf 
Fotograf
Deportationsdatum 
1942 Juli 20
Unterbringung/Inhaftierung 
-
Schicksal 
Am 24. Juli 1942 in Blagowschtschina/Maly Trostinec ermordet
Berichtsart 
Familiengeschichte

Oscar Hoffmann war 19 Jahre alt und elternlos, als er von Köln aus nach Minsk deportiert wurde. Er machte beim Troisdorfer Fotografen Erwin Bernauer eine Lehre. Als einer der wenigen Menschen des Deportationszuges DA 219 vom 20. Juli 1942 von Köln nach Minsk, gibt es von ihm Lebenszeichen aus dem Zug. Er schickte zwei Postkarten an die Familie seines Troisdorfer Ausbilders Erwin Bernauer, bei dem er eine Lehre zum Fotografen absolvierte:

„Lb. Familie Bernauer!

Wir sind hier zu 1.200 Personen in der Messehalle. Unser Transport geht morgen, Montag, 15 Uhr ab, wie es heisst nach Minsk in der Südukraine, um dort in der Landwirtschaft zu arbeiten. Es gibt in Russland zwei verschiedene Orte Minsk. Wir alle sind guten Mutes. Empfangen Sie nun noch meine herzl. Grüsse und vielen, vielen Dank für alles. Ihr Oscar. [Hoffmann]

Herzl. Grüsse Artur Levy

Es grüßt Sie recht herzl. + vielen, vielen Dank, ihre Anna [Lion]

Herzl. Grüße, auf Wiedersehen, Leo [Levy]

Herzl. Grüße Ihre Erna. [Levy]

Herzliche Grüße Walter + Hans. [Lion]“

 

„Minsk, Donnerstag [richtig Freitag], den 24.7.42, morgens 7 Uhr

Meine lb. Familie Bernauer!

Nach 87 stündiger Fahrt sind wir gesund, munter u. guten Mutes hier in Minsk angekommen. In Wolhonye [gemeint ist Wolkowysk] sind wir aus unserem Kölner Zug in Viehwagen verladen worden. Wie es heisst, sollen wir gleich samt unserem Gepäck den Bahnhof verlassen, um in unser Lager eingewiesen zu werden. Man vermutet, dass wir in der näheren Umgegend v. Minsk bei Bauern in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Ob wir für längere Zeit hier bleiben, ist noch ungewiss. Die Fahrt, als solche war für mich ein grosses Erlebnis. Die Landschaft als solche war fast überall gleich. Nur die grösseren Städte wie Landsberg, Bromberg, Thorn, Warschau, Baranowitschi boten Abwechslung. Diese grossen Städte sind aber hier in Russland sehr weit von einander entfernt. Zwischendurch sieht man fast nur kleine Dörfer mit hölzerenen, strohgedeckten Häusern. Merkwürdigerweise hat fast jedes kleinste Dorf seine Kirche, von denen die meisten mit großem Aufwand und künstlerischen Mitteln erbaut worden sind. Oft sieht [man] villenartige Häuser aus Holz u. Stein gebaut, die einen sehr feinen Eindruck machen.

Die Behandlung während der Fahrt von Seiten des Begleitpersonals war hervorragend, mangelnder war m[einer] A[nsicht nach] die schlechte Schlafgelegenheit im Zuge. In Personenwagen (Kölner Zug) waren wir zu 8 in Waggons eingeteilt. Nachdem wir in Wolhonye [Wolkowysk] umgeladen worden sind, lagen wir samt unserem Gepäck zu ca. 50 Menschen in einem Wagen. Unser mitgenommener Proviant ist bis jetzt noch nicht aufgegangen. Wie ich gerade höre, besteht eine gewisse Möglichkeit, dass wir in den hiesigen Betrieben in unseren Berufen arbeiten können. Wenn es Ihnen möglich ist, senden Sie mir bitte mein Zeugnis, da dies von Wert sein soll.

Diese Karte wurde von einem Beamten unseres Begleitpersonals in Köln aufgegeben. Bleiben Sie gesund und seien Sie herzlich gegrüsst von Ihrem Oscar.“

Besonders tragisch ist die Tatsache, dass Oscar Hoffmann sehr hoffnungsvoll war, sich sogar sein Zeugnis hat zuschicken lassen wollen, aber noch bevor die Postkarte seine Empfänger erreichte bereits in Blagovščina ermordert wurde.

Quellen:

Clara Hecker: Deutsche Juden im Ghetto von Minsk. URL: https://studfiles.net/preview/4533615/page:4/, abgerufen am 8. Januar 2018.

Corbach, Dieter: 6:00 ab Messe Köln-Deutz. Deportationen 1938 – 1945. Köln 1994.

Erstellt von Dennis Rabeneick